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Donnerstag, 15. Juni 2023

Wie groß soll ein Papageienkäfig sein? - Verkäufertricks

Bitte lesen Sie zum Thema Käfiggröße das Gutachten für das Bundesministerium. Dort finden Sie je nach Art - also nicht nur für Afrikanische Graupapageien - eine Mindestanforderung an die Käfiggröße. Bitte achten Sie auf den Zusatz, dass sowohl Herr Helmut Brücher (Landesvorstand des NABU) als auch der Deutsche Tierschutzbund e. V. anmerken, dass die in diesem Gutachten angegebenen Mindestanforderungen an die Käfiggröße "insgesamt zu klein" bzw. "nicht ausreichend" sind. Link zu dem Gutachten direkt beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Titel: Gutachten der Sachverständigengruppe über die Mindestanforderungen an die Haltung von Papageien (10. Januar 1995);
Eine weitere Empfehlung finden Sie beim Schweizer Tierschutz: "Vogelkäfige oder «Minivolieren» sind viel zu klein für eine artgerechte Haltung von Graupapageien. Der Schweizer Tierschutz empfiehlt für 2 Graupapageien eine Voliere mit einer Fläche von 6 m² (300 cm x 200 cm) und einer Höhe von ca. 2.3 m (Zimmerhöhe). Optimalerweise sollten die Vögel allerdings in größeren Volieren gehalten werden, insbesondere wenn die Möglichkeit einer Außenhaltung vorhanden ist. Mindestens ein Drittel des Volumens der Voliere muss frei von Strukturen sein, damit die Tiere genügend Flugraum haben. Da Graupapageien sehr gerne klettern, müssen die Gitterstäbe der Voliere waagrecht angeordnet sein."

Käfiggröße:
Strecken Sie einmal beide Arme aus und tun so, als ob Sie fliegen. Jetzt laufen! Sie einmal so schnell Sie können kreuz und quer durch Ihre Wohnung. Das soll kein Scherz sein. Probieren Sie es aus (muss ja niemand zusehen, bzw. Ihre Vögel finden das sicherlich sehr interessant). Merken Sie, wie viel Platz Sie dabei brauchen? Sie halten sicherlich auch etwas Abstand zu den Wänden / Kanten, um nicht anzustoßen, das tun die Vögel auch. Denn wenn die Federn anstoßen, können sie ausfransen, dadurch lässt die Flugfähigkeit nach.

Die Spannweite eines Graupapageis oder einer Blaustirnamazone beträgt ca. 70 cm, die eines Aras 100 cm oder sogar mehr. Rechnen wir hier pro Seite extrem eng berechnet einmal 10 cm Sicherheitsabstand dazu. So braucht ein Papagei dieser Größe 90 - 120 cm Platz - nur in die Breite!!!, um einen Flügelschlag zu machen, ohne anzustoßen. Je ungeübter / untrainierter der Vogel ist, desto schwerfälliger ist er. Daher braucht er auch noch mehr Platz, weil er nicht so gut wenden kann.

Wer weiter testen möchte, nimmt einen Meterstab / Maßband, hält die Spannweite seines Vogels quer und rennt damit kreuz und quer durch das Zimmer.

Mit diesem "Selbstversuch" merken Sie, wie viel Platz Ihre Vögel brauchen.

Wenden wir uns jetzt dem "normalen" Vogelkäfig zu - ich weigere mich erst mal bei der üblichen Käfiggröße den im Handel üblichen Begriff "Voliere" zu benutzen. Denn Voliere kommt vom französischen Wort "voler" und heißt übersetzt "fliegen".

Typische Standardvogelkäfige im Handel (Stand 8.5.14, Händler wurden beliebig aus dem Internet gezogen und sollen in keinster Weise irgendjemanden abwerten / bewerten):
  • Papageienkäfig "Caesar", Innenmaße: L 101 x B 61 x H 121 cm
  • "Arkansas II" - Platinum von Montana Cages: Größe (BxTxH): ca. 203 x 102 x 200 cm
  • "Papageien Voliere J4600", Größe: 203 x 102 x 200 cm (Breite x Tiefe x Höhe)
  • "Castello": Width 162cm (63.75"), Depth 81cm (32"), Inside Height 160cm (63")
Fällt Ihnen etwas auf? Die Tiefe der Käfige ist hier zu gering, um einen Flügelschlag zu machen, ohne an dem Käfiggitter anzustoßen. Ist dieser Käfig dann für die Haltung zweier Papageien geeignet? Bedenken Sie, bisher ist immer nur die Rede von einem Flügelschlag eines Vogels!

Berücksichtigen Sie bitte bei der Haltung auch einer erforderliche Raumaufteilung, damit Ihre Tiere die Volierengröße auch nutzen können. Hier mein Bericht dazu: Freiraum zum Fliegen / Raumeinteilung in einer Voliere





Tricks der Verkäufer / Hersteller:

Achten Sie bei der Produktbeschreibung darauf, was für Ihre Tiere überlebensnotwendig ist, dann erst bitte auf Dinge, die Ihnen wichtig sind.

In der Produktbeschreibung (gefunden in allen möglichen Verkaufsinformationen von allen möglichen Anbietern) finden sich teilweise Begriffe wie
  • "großzügig"
  • "geräumig"
  • "Kingsize"
  • "artgerecht"
  • "XXL" "XXXXL" usw.
  • "gemütlich"
  • "Geeignet für alle mittleren und großen Papageienarten mit viel Platzbedarf."
Für welche Vogelart steht oft nicht dabei oder ist teilweise schlichtweg falsch. Wollen Sie Ihre Tiere wirklich artgerecht halten, fragen Sie bitte bei einem Tierschutzbund nach den Käfigmindestmaßen für Ihren Wunschpapagei. Dort erhalten Sie auf mit größter Wahrscheinlichkeit eine Information, die dem Tier gerecht wird. Ich will hier nicht ausschließen, dass es auch Händler / Züchter gibt, die Sie im Sinne des Tieres korrekt informieren. Wenn man jedoch die Mindestanforderungen für eine Papageienhaltung einhalten möchte, könnte nur ein Bruchteil der angebotenen Käfige / Tiere verkauft werden, weil schlichtweg nicht genug Platz in den Wohnungen für die Tiere ist. Dies würde zu hohen Umsatzeinbrüchen der Händler / Züchter führen. Warum überhaupt so kleine Käfige verkauft werden dürfen, ist mir immer wieder ein Rätsel. In der Praxis habe ich es leider oft genug selber erlebt, dass wissentlich zu kleine Käfige verkauft wurden oder auch Tiere in Einzelhaltung.

"Schick", "wunderschön", "elegant", "formschön" - Ihren Vögeln ist es egal, wie schick oder elegant ihr neues Zuhause ist! Sie wollen vor allem eines: Viel Platz! Erst danach darf das Aussehen des Käfigs für Sie interessant sein. Ein "schickes" Hundehalsband schadet keinem Hund. Ein "eleganter" Katzenkratzbaum schadet der Katze nicht. Ein zu kleiner Käfig kann für Ihre Tiere jedoch tödlich sein.
Passen Sie auf mit Produktbildern! Teilweise sitzen im Käfig Plüschtiere, die nicht annähernd so groß sind, wie die Originaltiere. Es gibt auch Verkäufer, die nicht davor zurückschrecken, Jungtiere (die ja kleiner sind) als Beispiel in den Käfigen zu fotografieren. Auch dieses Bild gaukelt Ihnen einen größeren Käfig vor. Auch die Aufnahmeperspektive kann den Käfig größer erscheinen lassen, als er eigentlich ist.

Lesen Sie die Artikelbeschreibung bezüglich der Maße sorgfältig! Teilweise werden nur die äußeren Maße angegeben. Viele Käfige haben unten eine Schmutzfangplatte, die seitlich absteht. Dadurch haben Sie eine saubere Wohnung, der Käfig ist aber im Inneren, wo Ihre Tier leben, um mindestens 10 cm kleiner als vielfach angegeben. Auch die Höhenangaben können täuschen. Viele Käfige sind auf Rollen. Oder sie haben oben z.B. eine Sitzstange. Das alles wird von vielen Verkäufern bei den Größenangaben mit dazu gerechnet.
Ein seriöser Verkäufer müsste sowohl die äußere Größe (für Sie wichtig, damit Sie messen können, ob der Käfig bei Ihnen Platz hat) als auch die für den Papagei nutzbare Größe, also die Innenmaße an.

Käfigform:
Sie finden im Handel viele Käfige, die teilweise zimmerhoch sind. Eine typische Standardkäfiggröße für zwei Graupapageien ist leider 1 Meter breit, 1 Meter tief und dafür 2 Meter hoch. Das spart bei Ihnen Zuhause Platz, bringt Ihrem Tier aber nichts. Papageien sind keine Senkrechtstarter.
Außerdem halten sich die meisten Sittiche und Papageien 98 % des Tages im obersten Bereich des Käfigs auf (falls es nicht wie Ziegensittiche Tiere sind, die auf dem Boden ihr Futter suchen). Warum? In der Natur können vom Boden her Fressfeinde kommen. 
Achten Sie daher auf die Breite und Tiefe des Käfigs, weniger auf die Höhe.

Käfigaufenthaltsdauer:

Weiter mit einem gedanklichen Experiment: Nehmen Sie ein ca. 4 Jahre altes Kind (es gibt viele Aussagen, dass Papageien in etwa die Intelligenz eines Vierjährigen erreichen können) und sperren es mit ein paar Spielsachen für ein paar Tage in Ihr Gästeklo / Abstellkammer. Natürlich können Sie es pro Tag 1-2 Stunden hinauslassen. Auch Sichtkontakt zu Ihnen sollte zeitweise möglich sein. Was passiert? Das Kind versteht die Welt nicht mehr, schreit, weint und wird verhaltensgestört. (Bitte nicht nachmachen, nur vorstellen!) Warum wundern sich dann so viele Papageienhalter, wenn ihr Tier anfängt, sich zu rupfen oder krank wird?

Fazit:

Wenn Papageien einzeln oder in einer zu kleinen Voliere gehalten werden, werden sie krank oder / und verhaltensgestört! 

Ich bekam meine Lucy aus einer Haltung mit viel zu kleinem Käfig. Der Umzug zu uns war für sie offensichtlich zu viel. Sie begann sofort, sich am Bauch und Halsbereich komplett zu rupfen. Ich hielt sie in einer 1,5 x 2 x 2 m großen Edelstahlvoliere mit täglichem Freiflug. Aber erst nachdem ich ihr die jetzige Voliere bieten konnte, hat sie damit fast aufgehört. Sie wirkt auf mich auch viel ausgeglichener. Das Rupfverhalten konnte ich allerdings nicht komplett ändern. Sie hat dieses Verhalten zu sehr abgespeichert und fällt immer wieder zurück, sobald sie sich gestresst (z.B. bei Handwerkern) fühlt.

Wer Vögel artgerecht halten will, kommt daher nicht um einen wirklich großen, teuren, sperrigen und schweren (teilweise wiegen diese Käfige fast 200 kg) Käfig herum. Aber selbst diese Käfige sind in der Regel nicht annähernd groß genug, um den Tieren den lebensnotwendigen Flug (siehe hierzu auch mein Beitrag: "Aspergillose - Der schleichende Tod!") zu ermöglichen. D.h. zusätzlich benötigt Ihr Tier wirklich täglich über viele Stunden Freiflug. Um dies Ihren Tieren gefahrenfrei zu ermöglichen, benötigen die Tiere während des Freiflugs ständige Aufsicht (ähnlich wie Kleinkinder).

Rechtslage
Es fehlen gesetzlich verbindliche Mindeststandards für die private Haltung unserer tierischen Mitbewohner (Stand 2015). Sie sind in einem quasi rechtsfreien Raum gefangen. Auch die Novellierung des Tierschutzgesetzes sieht keine Haltungsvorschriften vor. Dabei benötigen Tiere auch im Privaten Schutz – Deutschland braucht ein Heimtierschutzgesetz. Nicht die Zoohandelsindustrie sollte definieren, was tiergerecht ist! Denn diese gewinnorientierte Branche profitiert an der "Ware Tier" und am Verkauf von Nahrung sowie Zubehör. Die Bedürfnisse der Tiere werden teilweise missachtet.

Nachahmung auf eigenes Risiko!
Stand 15.05.23

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